Tief unter den belebten Straßen von Graz, verborgen unter dem wuchtigen Schlossberg, erstreckt sich ein Reich, das wie aus einem Abenteuerroman entsprungen scheint – ein Labyrinth aus Stein, geformt von Menschenhand und Geschichte. Seine Wurzeln reichen zurück in eine Zeit, in der der Krieg den Himmel verdunkelte und jede Stadt nach Zuflucht suchte. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs, als der Bombenkrieg Österreich erreichte, beschlossen die Grazer, in den Berg hineinzubauen.

Mit gewaltigem Aufwand und unermüdlicher Arbeit entstand ein unterirdisches Stollensystem von 6,3 Kilometern Länge, ein verzweigtes Netz aus Gängen, das durch mehr als zwanzig Eingänge betreten werden konnte. Hier, in den kühlen Tiefen des Felsens, fanden bis zu 40.000 Menschen Schutz, während über ihnen der Lärm der Sirenen und das Dröhnen der Flugzeuge die Stadt erschütterten.



Doch das Labyrinth ist mehr als nur ein Relikt dunkler Zeiten. Nach dem Krieg, als der Pulverdampf verzogen war und die Stadt wieder ins Licht trat, erwachte der unterirdische Koloss zu neuem Leben. Aus dem Ort der Angst wurde ein Ort der Neugier, aus den kargen Stollen wurden Räume voller Fantasie und Kultur. Heute führen die Gänge nicht mehr nur ins Dunkel, sondern zu Attraktionen, die so einzigartig sind, dass sie Besucher aus aller Welt anziehen. Der gläserne Lift gleitet beinahe lautlos durch den Felsen und öffnet sich wie ein Tor in eine andere Dimension. Die Märchenbahn entführt Jung und Alt auf eine bunte Reise durch Traumwelten, während tief im Herzen des Berges der „Dom im Berg“ verborgen liegt – eine Konzerthalle, die so geheimnisvoll und akustisch vollkommen ist, dass sie fast wie ein Naturwunder wirkt.

Jeder Schritt durch dieses unterirdische Reich erzählt Geschichten: von Arbeitern, die bei flackerndem Licht den Stein aushöhlten, von Familien, die in engen Nischen den Atem anhielten, von Musikern, deren Klänge nun dort erklingen, wo einst Stille und Anspannung herrschten. Der Schlossberg trägt sein Labyrinth wie ein verborgenes Herz, das im Takt der Stadt schlägt – unsichtbar von außen, doch voller Leben und Geheimnisse, die sich nur dem offenbaren, der den Mut hat, tief hinabzusteigen.


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